Tja, Freunde, wer jetzt denkt, er bekommt mal wieder den alljährlichen Bericht unserer LP-Tour zu lesen, den muss ich leider enttäuschen. Die zugehörige Reise fand nämlich gar nicht statt. Wie ich letztes Jahr schon prophezeit hatte, wären Wod Katitten und meine Vascostigkeit nur zu zweit gewesen und da ich ungern Recht habe (ja, wirklich), wurde die Tour kurzerhand ausgesetzt.
Um aber auch 2018 nicht völlig untätig zu sein und der körperlichen sowie geistigen Verfettung zum Opfer zu fallen, machte ich stattdessen den Rennsteig mit dem Fahrrad unsicher. Den richtigen Rennsteig. Nicht den Radwanderweg. Ganz allein musste ich mich aber nicht durch den Wald quälen. Der mehr oder weniger frisch angefixte Cacher-Kollege Shitimckoy von der Mckoy-Bande begleitete mich auf der Reise von Hörschel nach Blankenstein. Angeblich soll diese Richtung ja die ungünstigere sein, doch um der Tradition Willen ist sie in geraden Jahren Pflicht.
Aber warum gerade der Rennsteig? Wenn man es mal ganz nüchtern betrachtet, ist er auch nur ein furznormaler Wanderweg (Jaja, steinigt mich ruhig). Ein bisschen länger als mancher Rundweg vielleicht. Das war’s aber auch schon. Außerdem liegt er quasi direkt vor meiner Haustür. Wenn ich mich ranhalte, bin ich gut 1 h 15 min auf der Schmücke (und das war ich die letzten Monate auch fast jedes Wochenende). Also ist es jetzt auch für mich persönlich nichts besonderes mehr. Aber so ist das eben. Wenn man das Besondere ständig vor der Nase hat, wird’s gewöhnlich. Zumindest auf dem ersten Blick.
Schon vor ein paar Jahren kam mir die Idee, doch mal mehr als nur die paar Kilometer zwischen Oberhof und dem Mordfleck zu sehen. Nur fehlte immer die Zeit. Und wahrscheinlich auch die nötige Motivation. An einem Tag reißt man die Strecke wohl kaum runter, an zweien wird es auch noch ziemlich sportlich – die Rede ist wie gesagt vom Wanderweg, nicht vom Radweg. Drei sind wohl eher realistisch, wenn man auch ein bisschen was sehen und noch ein paar Caches einsammeln will. Außerdem ist eine längere zivilisatorische Auszeit auch mal nicht verkehrt. Stichwort: Psychohygiene.
Dann das nächste Problem: Wer macht so einen Scheiß überhaupt mit? Alleine muss ich so eine Tour nun nicht machen. Zumindest nicht unbedingt. Und genau da kam Shitimckoy ins Spiel. Immerhin brauchte es schon nicht so viel Überredungskunst, um den Kerl den einen oder anderen Sonntagmorgen um 6:00 Uhr auf den Schneekopf zu hetzen. Beste Voraussetzungen also. Als er dann, eigentlich nur als Gag, mit einer Alpenüberquerung ankam, war die Rennsteigtour mein (ernstgemeinter) Gegenvorschlag. Das war am 2./3. Dezember 2017. Von da an nahm das Vorhaben langsam Gestalt an und Fahrt auf.
So. Und jetzt stehen wir in Hörschel. Am 21. Mai 2018 anno Domino oder so. Pfingstmontag um 9:00 Uhr. Jeder mit einem Stein aus der Werra in der Tasche, der ordnungsgemäß in Blankenstein in der Saale versenkt werden will. Es kann also losgehen. Aber hier erst mal noch die Specs:
– 170 km Strecke
– ca. 3400 Höhenmeter
– 84 Caches auf dem Plan (von denen wir nur 13 bzw. 14 eingesammelt haben werden)
– 3 Tage abseits der Zivilisation
– ich auf einem 2013er Canyon Nerve AL+ 7.0
– Shitimckoy auf einem 2009er Giant Reign
– ca. 16 kg Marschgepäck pro Kopf, incl. Camping-Equipment, Futter, Werkzeug und Ersatzteilen.
So wirklich wissen wir nicht, worauf wir uns da eingelassen haben. Bald werden wir es wissen. Und wie…
Von Hörschel geht es erst mal ein ganzes Stück bergauf bis zum Franzosenfelsen. 2,5 km und 160 Höhenmeter, um genau zu sein. Hier gibt es auch den ersten Cache der Tour. Ein stinknormaler Tradi (ist ja auch keine Lost Place Tour). Die Location ist aber ganz nett. Nach einer kleinen Klettereinlage haben wir den ersten Fund in der Tasche. Zack!
Und weiter den Berg rauf. Immer noch gut gelaunt. Einige Wanderer werden überholt. Alle ohne größeres Gepäck. Draußen pennen ist wohl nicht mehr hip. Nach weiteren 4,5 km entspanntem Gekurbel kommt die erste kurze Abfahrt runter zum Vachaer Stein. Ein kurzer, nicht so heftiger, aber richtiger geiler Trail zum Einstieg. Nicht zu verblockt oder verwurzelt. Top. Vorher werden wir fast noch von ’nem Zombie in einem Auto überfahren, für den Fahrradfahrer scheinbar nicht zum Straßenbild gehören. Denen kann man schon mal die Vorfahrt nehmen. Am Vachaer Stein wartet schon der nächste Cache. Der haut einen zwar auch nicht vom Hocker, aber was soll’s? Nimmt man eben mit, wenn man schon mal da ist. So ist auch noch Zeit für ne kleine Pause. Und einen Proteinriegel. Yummy.
Die nächsten zwei Stunden machen wir dann ein bisschen Strecke. 16 km weit und 360 m hoch. Mit nur einer kurzen Unterbrechung an der Rennsteiggrotte – incl. Cachefund – geht es zum Glöckner. Die Location wurde mir von Rippschn empfohlen, der den zugehörigen Cache „Rennsteig 2 – Sphinx“ erst kürzlich weggefangen hat. Die Stelle ist auch wirklich richtig schick. Nur der Cache ist unauffindbar. Was wir allerdings finden, ist, dass die Zahl der E-Bikes die der normalen Fahrräder doch deutlich übersteigt. Naja, ab einem gewissen Alter seh ich es ja ein, dass man lieber motorisiert Fahrrad fährt, anstatt sich gar nicht mehr zu bewegen. Muss jeder für sich selbst entscheiden.
Eine Familie von Wanderern kommt vorbei. Die beiden Jungs sehen unsere Rucksäcke und fragen: „Ist das nicht schwer mit so viel Gepäck?“ Antwort: „Ja, aber was willste machen?“ Sie werden nicht die einzigen sein, die diese Frage stellen. Aber (fast) die einzigen, die eine freundliche Antwort bekommen.
Und weiter im Text. Von der Schillerbuche zum Großem Dreiherrenstein erwartet uns ein fieser Wurzelteppich bergauf. Eine Horde E-Biker kommt aus der Gegenrichtung angeschlichen. Wie man es schafft, auf 650B+ Bikes so langsam den Berg runter zu fahren, ist mir ein Rätsel. Trotzdem schallt uns wegen des bevorstehenden Aufsteigs spöttisches Gelächter entgegen: „Hahahaha! Viel Spaß, Jungs!“ Und dann eiert der eine Typ noch so knapp an mir vorbei, dass ich beim ausweichen mit der Pedale an einer Wurzel hängen bleibe und mir den Käfig halb runterreiße und vorerst nur einseitig klicken kann. Vielen Dank auch. Aber wir Non-E-Biker sind ja die Bösen und hetzen ständig gegen euch Akkufahrer. Wie’s nur kommt?
Trotz aller Widrigkeiten meistern wir den Aufstieg fahrend. Mal Shitimckoy vorneweg, mal ich. Oben warte ich auf ihn. Ein anderer Biker kommt kurz nach mir an und wartet auf seine Frau. Beide sind sehr mitteilsam. Und staunen: „Respekt, dass Sie das mit dem Gepäck schaffen. Ich hätte schieben müssen“, meint sie. Beide sind den Rennsteig schon abgefahren und berichten davon. Da kommt noch ’ne Stelle, die hat bisher nur einer geschafft zu fahren. Wir aber nicht. Na vielleicht doch, aber wahrscheinlich nicht. Aha. Shiti stellt die rhetorische Frage, ob denn am Inselsberg das schlimmste geschafft wäre. Das hatte ich ihm die ganze Zeit weisgemacht. „Da muss ich Sie leider enttäuschen“, meint er. Mach’s gut, Motivation. War schön mit dir.
Es hilft nichts. Wir müssen weiter. Nach dem Dreiherrenstein folgt eine richtig hässliche Rampe. Ewig lang. Zieht sich wie Kaugummi. Zu allem Überfluss überholt uns auf halber Strecke noch spielend leicht ein E-Biker, dreht sich um und grinst noch so richtig schön überlegen. Wichser. Was noch an Motivation übrig ist, stirbt gerade den Heldentod. Wir fahren trotzdem weiter, schieben ein kleines Stück und kommen kurze Zeit später fix und alle am Gipfel an.
Jetzt erst mal ’ne Stärkung. Ein halber Liter Apfelschorle aus’m Pappbecher für 3,90€ und Bratwurst für 3€. Shitimckoy gönnt sich von letzterem gleich zwei und atmet sie in Rekordzeit weg, was sich später noch als großer Fehler herausstellen wird. Die beiden Radler treffen wir auch wieder. Er: “ Naja, bis 5, halb 6 seid ihr in Oberhof. [Es ist gerade halb 3] Da kommen noch zwei, drei Anstiege, aber die sind nicht so schlimm.“ Sie: „NA KLAR SIND DIE SCHLIMM!“ Wenn’s nicht so traurig wär, würde ich mich schlapp lachen über die beiden. Aber bevor wir weiterfahren, gibt noch einen Cache auf dem „Mons insularis“ und ein kurzes Nickerchen auf der Wiese. Während wir so rumflackern, macht sich ein anderer am Cache zu schaffen. Und er kommt wir irgendwie bekannt vor. Bei genauem Hinsehen ist es Garminius. Was ein Zufall. Ein kurzes Schwätzchen, dann müssen wir auch schon weiter.
Wir nehmen den direkten Weg zur Grenzwiese. Heißt: die Treppe. Und ernten böse Blicke der Fußgänger. Sollen sich mal nicht so haben. Ist ja genug Platz für alle. Nach der kurzen, knackigen Abfahrt geht es auch schon wieder bergauf. Shiti ist am verzweifeln: „Ich kann nich mehr. Ich lass mich abholen.“ Und das nach nur knapp der Hälfte des ersten Tages. Irgendwie schafft er es, sich zusammenzureißen und wir fahren weiter. Er fragt aber schon mal vorsichtig an, ob ich denn sehr stinkig wäre, wenn ich den Rest der Tour allein absolvieren müsste.
An der Ebertswiese machen wir kurz Halt und gönnen uns eine noch teurere Apfelschorle – 4€ für 0,4 Liter, aber aus dem Glas – und füllen die Wasservorräte auf. Den Bergsee lassen wir links liegen. Die eineinhalb Kilometer Umweg sind uns beiden zu viel. Caches suchen wir auch keine mehr. Und wir schweigen uns bis Oberhof an. Ich habe mittlerweile auch heftig mit mir und meiner Motivation zu kämpfen.
Es folgen noch ein paar heftige Anstiege. Besonders der von der Neuen Ausspanne zum Krämerod ist die Hölle. Dort kommt uns eine Truppe Fußgänger – Wanderer möchte ich sie mal nicht nennen – entgegen. Einer amüsiert sich köstlich über uns „E-Biker“, die trotz Motor kaum den Berg rauf kommen, und singt uns noch was Sinnloses vor. Wenn du blöder Wichser mit der orangerot verspiegelten Sonnenbrille das hier zufällig lesen solltest: „Friss Scheiße und erstick dran!“
Irgendwann gegen 19:00 Uhr ist Oberhof dann tatsächlich in greifbarer Nähe. Nur noch ein Kilometer bis zum Grenzadler. Bergab. Dann können wir zum Abschluss des Tages doch noch einen Cache einsacken. „Luftkampf über Thüringen„. Und jetzt schnell zur Schutzhütte am Grenzadler. Das Nachtlager herrichten, eine köstliche 5-Minuten-Terrine einfahren, ’ne Tüte Trockenobst futtern und ab in die Koje. Die Bundis, die aus der und in die Kaserne nebenan gefahren kommen, schauen uns irgendwie ungläubig an. Als hätten sie noch nie jemanden gesehen, der draußen übernachtet. Unsere Armee…
Tag 1 wäre geschafft. Wir auch. Und wie. Leck mich am Arsch. Ob wir die nächsten überstehen, erfahrt ihr hier. Hier aber erst mal noch ein paar Impressionen:
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